OMG, fast 30?!

ende20 01Irgendein schrecklicher Virus geht um, der alle um die dreißig dazu bringt, sich gegenseitig Ringe über die Finger zu stülpen und aufs Land zu ziehen, mit dem einzigen Zweck, ein Kind nach dem anderen aus dicken, aber glücklichen Müttern purzeln zu lassen. Die Einladungen der Hochzeiten ersetzten plötzlich die zu den Partys. Die „Ich bin endlich da“-Babykarten häufen sich im Briefkasten und man kommt nicht umhin sich zu fragen, wann es einen selbst erwischt.

Allein dieses Jahr ereilten mich sechs „Wir-sind-schwanger“-Nachrichten. SECHS. Bei der ersten entgleiste mir das Gesicht, bei der zweiten bis vierten war ich schon halb in der Übung mit „Heyyyy, wooowwww, maaaan, herzlichen Glückwunsch!“ Doch bei den letzten frohen Neuigkeiten hob ich nur gelangweilt mein Wodkaglas und rief in die erwartungsvoll lächelnden Gesichter: „Na dann: Prost!“

Ich frage mich, warum die Weltgesundheitsorganisation nichts gegen so einen Virus unternimmt. Wenigstens bin ich dagegen immun. Denn ich will weder einen Ring noch Kinder und auch kein Haus mit Kiesauffahrt, von dem man „höchstens eine Viertelstunde in die Stadt“ braucht. Ich habe ohnehin nie verstanden, warum man nicht in der Stadt bleibt, wenn es einem so wichtig ist, dass man „höchstens eine Viertelstunde“ dorthin braucht.

„Circa Ende zwanzig muss es knirschen“, sagt die Gesellschaft und das Umfeld, kurz nachdem es geschwängert und verheiratet ist. Spätestens dann soll man stolzer Besitzer einer Kiesauffahrt mit dem entsprechenden Haus dahinter sein. Ich finde nicht, dass mit Ende zwanzig irgendwas knirschen sollte, es sollte eher was rieseln, und zwar der feine Sand eines schönen Atlantikstrandes, an den man sich gegen Nachmittag vor seinem schönen Ferienhaus begibt. Mit einem ansehnlichen Partner, aus dem nicht ständig verpflichtende Pläne purzeln.

Ja, ich habe Angst davor, mich früher oder später fügsam einzureihen in den bereihenhausten Stillstand provinzieller Zufriedenheit, Elternteil eines leicht übergewichtigen Sohnes zu werden und schließlich dort zu sterben, wo ich geboren wurde. Ich habe Angst davor, das Kind falsch zu erziehen, das Haus fertig behöffnert zu haben, vom Partner gelangweilt zu sein und meine eigenen Endzwanziger Hoffnungen und Erwartungen gleichgültig ignoriert zu haben. Ich habe Angst davor, dass ich nur einen großen Jahresurlaub habe, auf den ich stupide hinschuffte und die Highlights dorthin sind Möbelhauseröffnungen mit Gratis-Sekt. Die Klamotten sind nun nicht mehr „Wahnsinn“ und „sexy“, sondern nur noch softshellig praktisch und der rosa Blumenaufdruck ist „echt frech“.

Und so ist es kein Wunder, dass eine Frage immer öfter auftaucht. Sie lauert mir bei der Arbeit auf, sie überrascht mich bei einer Radtour, ja manchmal reißt sie mich sogar aus dem Schlaf und ich betrachte meinen schlummernden Partner und frage mich:

Kann es das schon gewesen sein?



Inspiriert und teilw. geliehen von Tommy Jauds „Resturlaub“